Viele Journalisten sehen KI als Bedrohung für ihren Arbeitsplatz. Tatsächlich steckt die Technologie noch in den Kinderschuhen, aber die Forschung im Bereich KI schreitet schnell voran. KI und Automatisierung sollten jedoch nicht als Bedrohung für den Journalismus betrachtet werden, sondern als einmalige Chance, zeitaufwändige, monotone und sich wiederholende Aufgaben dem Computer zu überlassen.
Effizienter Arbeiten mit KI
Ein gutes Beispiel für diesen Produktivitätssprung ist die KI-gestützte Transkriptionssoftware Trint. Während Journalisten früher noch stundenlang Interviews transkribierten, erledigt Trint diese Aufgabe heute schon in wenigen Minuten. Die Ergebnisse benötigen meistens nur wenige Korrekturen, vorausgesetzt die Audioqualität ist gut und die Interviewpartner sprechen Hochdeutsch.
Weitere Beispiele sind Übersetzungsprogramme wie Google Translate oder DeepL, die zwischen viele unterschiedliche Sprachen übersetzen können und Journalisten den Zugang zu fremdsprachigen Inhalten ermöglichen.
Hier sind einige Beispiele, wofür KI im Journalismus eingesetzt werden könnte:
- Social Media Monitoring: Soziale Netzwerke wie Twitter oder Facebook scannen, um relevante Nachrichten und Trends zu identifizieren.
- Investigative Datenanalyse: Unstrukturierte Daten wie Dokumenten-Leaks, Satellitenbilder oder Audioarchive analysieren, kategorisieren und Journalisten zugänglich machen.
- Metadaten-Anreicherung: Große Mengen an Archivmaterial verschlagworten. Eine Volltext- oder Entitätssuche ermöglicht das Wiederfinden und Wiederverwenden von Inhalten.
- Qualitätsverbesserung: Altes Bildmaterial hochskalieren oder kolorieren, automatische Bildkorrektur im Schnitt, unerwünschte Geräusche aus Tonaufnahmen entfernen.
- Synthese von Medien: Texte, Bilder und Audio automatisch erzeugen, basierend auf bestehendem Material oder Eingaben des Nutzers.
- Übersetzung und Zusammenfassung: Text und Audio in andere Sprachen übersetzen oder Inhalte zusammenfassen.
- Sprachassistenten und Chatbots: Besseres Verständnis natürlicher Sprache, Entlastung von Kundenhotlines, interaktive Formate.
- Personalisierte Empfehlungen: Interessen und Gewohnheiten der Nutzer erkennen und personalisierte Empfehlungen für Inhalte bereitstellen.
Diese Liste ist sicherlich unvollständig und wird in wenigen Jahren überholt sein. Trotzdem lohnt es sich, über das Potential von KI und Automatisierung im Journalismus nachzudenken.
Neue Aufgaben für den Journalismus
KI-Systeme werden vermutlich noch sehr lange nicht in der Lage sein, investigativ zu recherchieren, Informationen kritisch einzuordnen oder eine Nachrichtenauswahl zu treffen. Diese Aufgaben sollten auch weiterhin echten Menschen überlassen bleiben, die als Fact Checker und Gatekeeper fungieren.
Diese kritische Grundhaltung sollten sich Journalisten auch gegenüber KI-Systemen und deren Einsatz in unserer Gesellschaft bewahren. KI-Systeme können, wie andere technische Systeme auch, Fehler haben oder Vorurteile und Stereotypen verbreiten. Dies zu untersuchen, könnte in Zukunft eine spannende Aufgabe für investigative Datenjournalisten sein.
Momentan gibt es noch einige Hürden für den Einsatz von KI im Journalismus: Es fehlt an Machine-Learning-Experten, die bereit sind, im Medienbereich zu arbeiten. Außerdem wird die Integration von modernen KI-Lösungen in die teilweise sehr alte Infrastruktur der Medienhäuser keine leichte Aufgabe sein. Eine Modernisierung dieser Infrastruktur könnte jedoch auch abseits vom KI-Einsatz viele neue Chancen bieten.
Trotzdem lohnt es sich für Medienunternehmen, eine positive Grundhaltung gegenüber KI zu bewahren und zu versuchen, das Feld mitzugestalten. Die Chancen überwiegen bei weitem die Risiken.
KI ist irgendwie auch nur Software
Es ist nur noch eine Frage der Zeit bis Medienunternehmen schlüsselfertige KI-Lösungen – wie jede andere Software auch – kaufen oder mieten können. Es ist nicht davon auszugehen, dass Medienunternehmen für jeden Anwendungsfall eigene KI-Modelle entwickeln werden. Die Kosten dafür wären vermutlich zu hoch und nicht jede Redaktion wird in der Lage sein, eigene KI-Experten zu beschäftigen.
Viele der Probleme, mit denen sich Journalisten tagtäglich herumschlagen, sind jedoch Probleme, die andere Medienhäuser oder Unternehmen allgemein auch betreffen. Daher wird es für Softwareunternehmen durchaus lukrativ sein, KI-gestützte Software anzubieten, welche diese Probleme lösen. Die anfangs angesprochene Transkriptionssoftware Trint ist ein gutes Beispiel dafür.
Automatisierte Inhalte kommen, ob wir wollen oder nicht
Besonders vielversprechend ist der Bereich der künstlichen Herstellung (Synthese) von Inhalten. Es ist abzusehen, dass große KI-Modelle in Zukunft fast alle Formen von Bild, Audio oder Text automatisch erzeugen können. Diese Einschätzung stützt darauf, dass KI-Modelle mittlerweile extrem gut darin sind, die Inhalte verschiedene Medienformen zu verschlagworten. Die naheliegende Frage ist daher: Lässt sich dieser Prozess auch umkehren?
Wenn KI-Modelle in der Lage sind, Bildbeschreibungen aus einem Bild zu erzeugen, sollten sie auch in der Lage sein, Bilder aus einer Bildbeschreibung zu erzeugen. Vermutlich braucht es dazu riesige Modelle, welche mit Millionen von Bildern trainiert wurden. Da die verfügbare Rechenleistung aber weiterhin ansteigt und günstiger wird, ist auch das nur noch eine Frage der Zeit.
KI sinnvoll einsetzen
Damit der Einsatz von KI und Automatisierung Erfolg haben kann, sollten sich Medienunternehmen erst einmal bewusst machen, wo ihre größten Probleme liegen. Welche Aufgaben kehren häufig wieder, sind besonders zeitaufwändig oder nervtötend? Kann ein Arbeitsablauf mit digitalen Werkzeugen effizienter gestaltet werden oder lohnt es sich, erst einmal den Prozess als Ganzes zu überdenken?
KI sollte nicht pauschal als Ersatz für Mitarbeiter in den Redaktionen gesehen werden. Dafür ist die Tätigkeit von Journalisten viel zu vielfältig und kreativ. Vielmehr ist KI ein nützlicher Helfer, der einem den Alltag leichter machen kann, wenn er vernünftig eingesetzt wird.
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