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  • 24. Mai 2014

Plädoyer für mehr Open Source im Journalismus

Open Source hat viele Vorteile die sich auch der Journalismus zunutze machen kann. Es wird nur endlich mal Zeit damit anzufangen.

GitHub Repository der New York
Times

Der Journalismus hat Schritt für Schritt seinen Weg ins Internet gefunden. Interaktive Anwendungen und Datenjournalismus spielen einen immer größer werdende Rolle. Webseiten und Werkzeuge werden programmiert und zunehmend auch Geschichten.

Genutzt werden Anwendungen (Software) im Journalismus vor allem auf vier Ebenen:

  1. Datengewinnung und -auswertung
  2. Speichern, Verwalten und Bereitstellen von Daten
  3. Darstellung von Daten und Inhalten in Karten, Diagrammen, Animationen etc.
  4. Kommunikation und Organisation des journalistischen Prozess'

Der journalistischen Prozess hängt mittlerweile viel von digitalen Werkzeugen ab. Zudem interessieren sich immer mehr Journalisten für Daten(-journalismus) und Programmieren. Daher ist es an Zeit, eine der besten Ideen der Softwareentwicklung auf den Journalismus zu übertragen: Open Source.

Der Begriff Open Source bedeutet „Offenlegung des Quellcodes“ (englisch: Source Code). Open Source gewann vor allem mit der Verbreitung des Internets an Bedeutung. Viele Webtechnologien die wir tagtäglich – auch unbewusst – nutzen, sind Open Source. Sie können von jedermann genutzt, verbessert und weitergegeben werden. Die kommerzielle Verwendung ist meistens erlaubt. Open Source hat viele Vorteile, die sich auch der Journalismus zunutze machen kann.

  • Transparenz: Das Offenlegen des Quellcodes ermöglicht es zu verstehen, wie eine Anwendung oder eine Geschichte funktioniert. Was wird mit den Daten gemacht? Wie kommt man zu einer Darstellung? Nur ein Bruchteil der Leser  kann programmieren und damit den Quellcode auch nachvollziehen. Jedoch vermittelt Open Source allen das Gefühl, dass sie theoretisch die formale Richtigkeit der Geschichte überprüfen könnten.
  • Fehlerkorrektur: Transparenz erfordert aber auch Mut. Vor allem aber erfordert sie den Mut Fehler eingestehen zu können. Entdeckt jemand einen Fehler im Quellcode, kann dieser ausgebessert werden. Das ist möglicherweise ärgerlich, aber besser wie wenn die Wahlergebnisse für alle Zeiten falsch dargestellt werden.
  • Nutzbarmachung & Weiterentwicklung: Wenn man ein Werkzeug entwickelt hat um Balken-Diagramme darzustellen, wieso sollte man es nicht für andere zur Verfügung stellen? Die Offenlegung des Quellcodes hätte den Vorteil, dass das Werkzeug weiterentwickeln werden könnte. Wenn man das Werkzeug das nächste Mal braucht, ist es vielleicht noch besser geworden und kann auch Torten-Diagramme darstellen. Vielleicht gelingt es auch jemandem etwas ganz Neues zu schaffen.
  • Partizipation: Wenn man über den offensichtlichen Nutzen hinaus denkt, kann Open Source auch mehr Partizipation seitens der Leser ermöglichen. Wenn die Struktur einer Geschichte bekannt ist, ist es auch einfacher diese weiterzudrehen. Open Source Plattformen wie GitHub sind letztendlich Kollaborations-Tools, welche es ihren Benutzer ermöglichen, über Ländergrenzen und Zeitzonen hinweg, zusammenzuarbeiten.

Als Journalisten fordern wir gerne Transparenz und Offenheit von allen Seiten ein, doch leben wir diese Werte auch selbst? Wenn wir von der Bundesregierung eine klares Bekenntnis zu offenen Daten und transparenten Haushalten fordern, wäre es nicht einfacher, wenn wir vormachen könnten wie das funktioniert? Open Source würde uns helfen diesen Prozess zu formalisieren. Natürlich soll und wird Open Source den Journalismus nicht fundamental umkrempeln und auch nicht die großen Aufgaben des  21. Jahrhundert lösen (Stichwort: Monetarisierung journalistischer Inhalte im Internet). Open Source soll kein Dogma sein, sondern eher eine Kultur der Offenheit und des Teiles. Open Source Software ist auch nicht automatisch gut und fehlerfrei, was uns der Heartbleed-Bug nahe geführt hat.

Natürlich ist ein gewichtiger Grund gegen Open Source der ökonomische Wettbewerb zwischen den Medien. Wieso sollte ein andere Nachrichtenseite mein Werkzeug nutzen können, in das ich viel Zeit und Geld investiert habe? Meines Erachtens sollte der Wettbewerb zwischen den Redaktionen auf Basis von gut recherchierten und originellen Geschichten ausgetragen werden und nicht auf Grundlage von Werkzeugen. Der Aufwand für die Entwicklung von Werkzeugen wird geteilt und jeder kann von der Arbeit der Anderen profitieren.

Allgemein glaube ich, dass der grundsätzliche Wille zu Open Source da ist. Die über durch Open Source transportieren Werte sind den Werten des Journalismus sehr ähnlich. In Deutschland gibt es aber bisher nur wenige konkreten Beispielen, wie man Open Source umsetzen kann. Die wohl einfachste Lösung wäre es mit kleinen Projekten anzufangen, um sich dann zu steigern. Im angelsächsischen Raum funktioniert das schon ganz gut. Mehrere große Nachrichtenorganisationen sind schon bei GitHub vertreten, einer sozialen Plattform, auf der viele bekannte Open Source-Programme entwickelt werden.

Open Source hat die Softwareentwicklung revolutioniert. Den Journalismus wird Open Source nicht revolutionieren, aber besser machen. Es wird nur Zeit endlich damit anzufangen!

Unvollständige Liste der Nachrichtenorganisationen auf GitHub:
Zeit OnlineBerliner MorgenpostNews York TimesWashington PostProRepublicaLos Angeles TimesThe Guardian und La Nación.

Sehr lesenswert: Nikki Usher von George Washington University zu Open source and journalism: Toward new frameworks for imagining news innovation